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Der Frieden.
Der Kampf um den Frieden ist das beherrschende Thema der gegenwärtigen politischen Konjunktur Nicaraguas. Der Krieg behindert auf allen Ebenen der nicaraguanischen Gesellschaft den von der Revolution vorgeschlagenen Entwicklungsprozße. Er ist eine der Hauptursachen für die Krise der Überlebenswirtschaft. Er verunmöglicht den Ausbau von Gesundheits- und Erziehungsprogrammen. Er verhindert die freie Enfaltung der gesellschaftlichen demokratischen Kräfte. Er führt zu permanenter Spannung und zu schleichender Militarisierung in den Köpfen und Herzen der Menschen. Jedwedes Thema in Nicaragua ist nicht losgelöst vom Einfluß des Krieges zu verstehen. Kein Problem findet eine Lösung, die nicht auch als Voraussetzung die Beendigung des Krieges beinhaltet, eines Krieges der als Aggressionskrieg einer Supermacht gegen ein armes Land der Peripherie geführt wird.
Unausgesprochen ist für die Kirchen die Frage Krieg und Frieden, sowie die friedensfördernde Praxis zum "status confesionis" geworden. Die Frage nach der Stellung der jeweiligen Kirchen und der Christen zum Frieden ist weit wichtiger geworden als ihr jeweiliges Verhältnis zur Revolution, zur Regierung oder zur Frente Sandinista.
Keine glaubwürdige kirchliche Praxis in Nicaragua kann an der Frage Krieg und Frieden vorbei. Die Allgegenwart des Krieges, eben auch als Haupthinderniss authentischer pastoraler Aktionsprogramme, die schreiende Ungerechigkeit, die sich im US-Contrakrieg manifestiert und das Leid, das tagtäglich auch in Kirche und Gemeinde spürbar ist, machen den Kampf um den Frieden zum prioritären Tagesordnungspunkt für die pastorale Praxis der evangelischen Christen des Landes. Besonders nach dem Abkommen von Esquipulas II wuchs die Militanz der evangelischen Kirchen in der Friedensfrage, da das Abkommen "Hoffnung schaffte auf Frieden, da es ein Projekt des Friedens vorschlug, der auf Gerechtigkeit und vollständige Souveränität der armen Völker beruht" (aus der Erklärung des CIEETS zum Zentralamerikanischen Abkommen von Esquipulas II., 18.9.87). Über hundert regionale Friedenskommissionen wurden in der Nachfolge des Abkommens von Esquipulas geschaffen. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Förderung, Unterbreitung und Realisierung des Amnestieangebotes der Regierung an die Contrakämpfer. In allen Kommissionen waren evangelische Pastoren präsent. Der Präsident der evangelischen Entwicklungsorganisation CEPAD, Gustavo Parajón, wurde zum Mitglied der Nationalen Versöhnungskommission ernannt, eine Instanz, die ebenfalls im Friedensabkommen von Esquipulas vorgesehen ist. Im ganzen Land wurden von evangelischer Seite Nachtwachen für den Frieden durchgeführt, Bewutseinsarbeit in den Kirchen organisiert.
Im Februar 86 fand der "Kreuzweg für den Frieden und das Leben im Angesicht des Imperiums" statt, der von Jalapa, einer Stadt 13 Kilometer von der honduranischen Grenze, bis nach Managua ging. Dieser via crucis war Teil des "Evangelischen Aufstandes" der vom Auenminister und Priester Miguel D'Escoto in den letzten beiden Jahren initiiert und propagandiert wurde. In dieser Tradition fanden sich einige ökumenische Organisationen, evangelische Kirchen und kirchliche Basisgemeinden zusammen und riefen im Oktober 87 zu einem "Marsch für den Frieden, das Leben und die Versöhnung" auf. Am 12. Oktober ging es los, eine Woche lang, ausgehend von dem kleinen Dörfchen El Coral bis zur Siedlung La Fonseca, in Nueva Guinea, der zur Zeit umkämpftesten Region des Landes. Der Marsch kreuzte eine der "Waffenstillstandszonen", die überall im Land eingerichtet worden waren, um der Contra Gelegenheit zu geben, sich dem Amnestiegesetz ohne Gefahr anzuvertrauen. Mittlerweile existieren diese Zonen nicht mehr. Als klar wurde, das die Contraführung gegen jede Friedenstendenz in ihren eigenen Reihen vorgehen wird und die Waffenstillstandszonen in erster Linie benutzt wurden, um die erschöpften Truppen neu mit Waffenmaterial und Lebensmitteln zu versorgen und ihnen eine Ruhepause zu verschaffen, beendete die Regierung diese Manahme. Mittlerweile ist ein quasi permanenter, einseitiger Waffenstillstand, ein Verzicht auf offensive Aktionen seitens des sandinistischen Heeres in Kraft, der von Monat zu Monat verlängert wird. Ziel der Aktion war es, der Bevölkerung in den Kriegsgebieten Mut zu machen und die Contra von der Ehrlichkeit des Friedenswillens der nicaraguanischen Regierung zu überzeugen und sie zu ermutigen, die Waffen niederzulegen und sich der Amnestie zu ergeben.
Die "Friedensmarschierer" wurden von der Contra bedroht und mehr als einmal wurde über Abbruch der Aktion diskutiert. Aus diese Initiative erwuchs eine "Bewegung für den Frieden, das Leben und die Versöhnung" mit einer starken christlichen und kirchlichen Basis. In dieser Bewegung arbeiten mit: CAV, CIEETS, Kirchliche Basisgemeinden, Moravische Kirche, Lutherische Kirche, CEPRES, CEPA, die Baptistische Kirche, Witness for peace, das Baptistische Theologische Seminar, SERPAJ, MENI und einige evangelische Pastorenkommittees.
Zwei Eigenschaften zeichnen diese Friedensarbeit aus: Sie wird entwickelt in Unterstützung des in Esquipulas begonnenen Verhandlungsprozesses und der friedenspolitischen Initiativen der nicaraguanischen Regierung. Sie ist in erster Linie Praxis, sei es Mitarbeit in Friedenskommissionen, seien es symbolische Aktionen, prophetische Zeichenhandlungen, die Nachtwachen oder Friedensmärsche. "Wir sind dabei, eine Pastorale des Friedens zu entwickeln, auch wenn wir als evangelische Kirche unsere Begrenzung erkennen und wissen, da wir nichts Entscheidendes beitragen können um den Frieden zu verwirklichen" (aus einem internen Diskussionspapier der FEET.
Ein zunächst unbeabsichtigtes Ergebnis dieser Aktion ist der wachsende ökumenische Zusammenhalt der christlichen Gemeinschaft. In der Praxis des "Marsches" wird die kirchen- und bekenntnisübergreifende Dimension des Kampfes um den Frieden erkannt.
Wir dokumentieren zwei Texte über den "Marsch für den Frieden, das Leben und die Versöhnung". Der erste Text ist ein Editorial aus dem "Servicio Evangélico de Prensa" (SEP), herausgegeben vom CIEETS. Der SEP erscheint monatlich und soll den Kirchen im Lande und den mit dem nicaraguanischen Volk verbundenen Christen in der Welt einen allgemeinen Nachrichtenüberblick liefern.
Der zweite Text ist die Dokumentation eines Gebetes, das Benjamin Cortés, der Generalsekretär des CIEETS und Pfarrer der Iglesia de Cristo, auf einer der liturgischen Feiern des Marsches sprach. Wir entnahmen es der Zeitschrift "Amanecer", herausgegeben vom Centro Ecomenico Antonio Valdivieso. |
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