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Hirtenbrief

Hirtenbrief der Generalversammlung des Interkirchlichen Zentrums für Theologische und Soziale Studien an die evangelischen Kirchen und Christen Nicaraguas


In Liebe und mit Wünschen des Friedens, vereint mit Christus und im Gebet möchten wir euch diesen Hirtenbrief übergeben. Gott der Vater segne seine Kirchen und seine Pastoren, das Volk unseres Landes und alle, die leiden und in Gefahr leben. Er gebe Weisheit und Gesundheit allen, die in kirchlichen, politischen, wirtschaftlichen, diplomatischen, rechtlichen und militärischen Führungspositionen unseres Landes stehen, damit sie mit gestärkter Verantwortung und Gerechtigkeit unsere Nation auf friedliche Art und Weise zu führen vermögen.

Nun, wenn wir von pastoraler Praxis reden, meinen wir den Sinn und die Aktion der kirchlichen Mission, die sich an Frauen und Männer richtet, als Individuen und als Volk, in ihrer Totalität, hier und heute. Die Kirchen, die auf prophetische Art und Weise ihren Dienst aufnehmen, sind auch in der Lage, das menschliche Leben und die Geschichte mit ihren sozioökonomischen, ethischen und politischen Implikationen zu verstehen. Das Volk und seine Geschichte sind Gegenstand der Mission. Als Kirche brauchen wir ausreichend Glauben, Verstehen und Handeln, um zur Wiederherstellung des menschlichen Seins, aus der Verzweiflung und dem Leiden heraus, beizutragen. Wir müssen erkennen, daß unser pastorales Wirken die Grenzen der christlichen Gemeinschaft überschreitet.

Die Wiederherstellung des menschlichen Lebens für die Gegenwart und für die Zukunft ist nicht nur Gegenstand der zivilen Gesellschaft, sondern einer der dringensten pastoralen Imperative innerhalb der Kirche. Aus diesem Grund reden wir von pastoraler Praxis als wiederaufbauendes und befreiendes Handeln von Frauen und Männern, um die Zukunft in einer Gesellschaft zu leben, die erleuchtet ist von der Gerechtigkeit, dem biblischen Shalom und der vollständigen Verwirklichung des Menschen.

Die pastorale Praxis, die Jesus vorgelebt hat, ist gekennzeichnet durch die Vepflichtung gegenüber den Armen. Jesus verstand sein Leben wie ein Hirte, der sich für sein Volk hingibt, in Dienst, Opfer und Liebe (Johannes 10,11-13). Von dieser biblischen Haltung her müssen wir verstehen, daß wir in keinem Moment unsere Brüder und Schwestern, unser leidendes Volk, das in der Suche nach dem ganzheitlichen Heil lebt, verlassen dürfen (Matthäus 9. 35-38).

Nur in dem Maße, in dem unsere Verpflichtung gegenüber dem Gott der Liebe uns immer mehr mit unserem Nächsten verpflichtet, werden wir Christen verstehen, was pastorale Praxis bedeutet. Eine Pastoral beinhaltet eine Theorie, eine Vision und ein Praxis. Deshalb ist eine Pastoral kein enges Paradigma, vielmehr fordert sie uns zu einem dynamischen Handeln auf. Jedesmal, wenn wir qualitativ in unserer evangelischen Praxis vorankommen, verlangt unsere Definition von pastoraler Praxis eine neue Formulierung.
Aus diesem Grunde, haben wir einstimmig beschlossen, mit euch unsere kirchliche und nationale Reflexion zu teilen, welche wir unabgeschlossen lassen und euch bitten, sie mit euren wichtigen theologischen und pastoralen Beiträgen weiterzudenken. Wie ihr wißt, ist das Nachdenken und das Verstehen unserer Geschichte und ihrer Implikationen eine notwendige und dringende Angelegenheit für uns Christen. Darauf wies bereits Jesus hin, um seine Schüler und das Volk zu motivieren und ihnen zu helfen, besser ihre eigene Wirklichkeit, ihre Option und ihren Dienst zu verstehen (Johannes 3, 11-12: Matthäus 16,1-3).

Lektüre der nationalen Situation.
Allgemeiner Bezug zum gegenwärtigen Augenblick:
Wir sind uns bewußt, daß Nicaragua in einer Situation des Überlebens, des Leidens und des Todes lebt. Gleichzeitig aber ist dies auch eine Situation voller Arbeit, voller Verstehen, voller Kampf, Leben und Hoffnung. Wir fühlen in unserem Geist und unseren Körpern die Widersprüche und die Herausforderung, welche die nationale und die lateinamerikanische Geschichte an uns als Kirchen stellen. Wir erfahren den Ruf Gottes, seinen Willen zu tun, in Treue zum Evangelium von Jesus und zur gerechten Sache der Armen der Welt.

In unserem sozialen und wirtschaftlichen Leben findet ein ernsthafter Zerstörungsprozess statt, der verschiedene Ursachen hat: Die geschichtlichen Abhängigkeitsbeziehungen und die chronische Unterentwicklung unseres Landes; die globale Aggression und das finanzielle, kommerzielle, technologische und informative Embargo, welches durch die Regierung der Vereinigten Staaten herbeigeführt wurde und Auswirkungen auf das Produktionsniveau und die Infrastruktur des Dienstleistungesbereiches hatte, sowie zu Fehlentscheidungen und zu einschneidenden Begrenzungen in der Planung und der Verwaltung der Regierung Managuas nach 1979 führte.

Unsere Schlußfolgerung ist, daß die soziale Revolution unseres Landes dazu beigetragen hat, die Partizipation des Volkes in den nationalen Projekten zu vertiefen, daß sie eine neue Konzeption von Erziehung und von Ausbildungsprogrammen in verschiedenen Fachrichtungen formuliert hat, daß sie die gremiale und politische Organisation vorangetrieben hat, wobei das Prinzip der Pluralität beibehalten wurde; die Sozialisierung der Gesundheit; die These einer gemischten Wirtschaft; die agrarische Umwandlung; die Kultur und die Verständigung, sowie der komplexe Prozeß der Autonomie an der Atlantikküste. Wir meinen, daß all dies Aspekte einer Entwicklung sind, die noch nicht abgeschlossen ist; nicht allein wegen der Aggression und den Widersprüchen die einem Transformationsproze eigen sind, sondern, weil wir eben eine Gesellschaft im Wandel sind, die gleichzeitig dafür kämpft, das durch die Vergangenheit zerstörte Geflecht ihrer Eigenexistenz wieder aufzubauen. Die zu lösenden Probleme sind enorm und ihre Lösung darf nicht alleine Verantwortung der Regierung, sondern des Volkes selbst sein. Es ist notwendig, einen Selbstverwaltungsprozeß zu initiieren, der dazu beiträgt, zu Problemen wie beispielsweise Wohnung, Gesundheit, Erziehung, Transport, das niedrige Produktionsniveau, der niedrige industrielle Standart, die Kontrolle des inflationären Prozesses und die Währungsstabilität Alternativen zu entwickeln. All dies sind Aufgaben, die diszipliniert von allen Arbeitern, sei es in der staatlichen Verwaltung, im kooperativen Sektor oder in der Privatwirtschaft, aufgenommen werden müssen.

Auf dem zurückgelegten Weg des gegenwärtigen Jahrzehnts, einem Weg der Kämpfe, des Schmerzes, der Widersprüche und der Hoffnungen, haben wir immer wieder auf die notwendige Schaffung einer nationalen Identität hingewiesen. Auf diesem Weg haben wir erkannt, daß eine der komplexen und tiefgreifenden Herausforderungen im Aufbau eines Nationalstaates mit sozialer Gleichheit besteht. Dieser soll Ergebnis einer authentischen, demokratischen, pluralistischen, schöpferischen und kritischen Teilnahme aller Sektoren der nicaraguanischen Nation sein und zu einer wirtschaftlichen und sozialen Transformation unseres Landes hinführen, in dem das Elend und die Unwissenheit ausgelöscht sein sollen.

Als Vertreter dieser Generalversammlung und als evangelische Führer möchten wir mit diesem Hirtenbrief verkünden, daß wir uns mit stärkerer Überzeugung zu der evangelischen Hoffnung bekennen, die durch Jesus in seinem Reich begründet wurde. Wir möchten verkünden, daß der Aufbau Nicaraguas eine entscheidende Aufgabe aller Bereiche der Nation ist und daß wir als Mitglieder der Kirchen unsere evangelische Ethik des Opfers vertiefen müssen, um aus ihr heraus in diesem Projekt mitzuarbeiten. Wir möchten ein Ende des Krieges gegen Nicaragua und Zentralamerika. Wir möchten heute unser Bewußtsein aufrichten, uns befreien von unseren Götzendiensten, von den Ängsten und den moralischen und politischen Irrwegen, daran weiterarbeiten, eine Spiritualität zu entwickeln, die auf Treue, Dienst und Gehorsam gegenüber Christus, dem Herrn der Kirche und der Schriften, aufbaut. Ebenso möchten wir unseren pastoralen Dienst bekräfigen, die Erneuerung unserer evangelistischen Berufung, uns hineinzubegeben in unseren Kontext, um unserem Glauben und der Sache der biblischen Gerechtigkeit mit Freude und in Vertrauen zu Gott Kraft zu geben (1.Petrus 3,15).

Wir möchten in dieser gegenwärtigen nicaraguanischen und zentralamerikanischen Situation zur Entwicklung einer missiologischen Antwort auf das Evangelium beitragen, die zu einer authentischen Teilnahme der Kirchen an der Mission führt, in der Überzeugung, daß Gott inmitten der Geschichte auf gerechte und angemessene Weise handelt (Matthäus 5,13). Wir möchten gemeinsam mit euch, Brüdern und Schwestern, vorankommen auf dem Weg und uns gegenseitig und daßs ganze Volk aufrütteln in einem Geist der Hoffnung, der Liebe und der Wahrheit (2. Korinther 4,1-18).
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Die evangelischen Kirchen des Landes.
Die evangelischen Kirchen Nicaraguas blicken auf eine Geschichte von 150 Jahren zurück. Ein Teil dieser Geschichte hat seinen Ursprung in der evangelistischen Mission von Brüdern und Schwesten aus Europa (Deutschland und England), der Karibik, der Vereinigten Staaten und Mexiko. Wir sind eine evangelische Bevölkerung von 500.000 Personen, zusammengesetzt in seiner immensen Mehrheit von Bauern, Arbeitern und Handwerkern. Die evangelische nationale Gemeinschaft ist organisiert in 110 Denominationen, welche man in 6 Kirchenfamilien gruppieren könnte: Die Pfingstkirchen; die apostolischen Kirchen; die Wiedertäufer; die reformierten Kirchen; die moravische Kirche; die anglikanische Kirche; die Kirche Mision Centroamericana und die Kirche der Heilungsbewegungen.

Das zahlenmäßige Wachstum der evangelischen Kirchen geht auf verschiedene Faktoren zurück: Der Evangelisationsdienst, die Bedeutung des freien Priestertums aller Gläubigen, die Zurückhaltung gegenüber Alkohol und Tabak, die moralischen Prinzipien, eine antikatholische Grundhaltung, die in der Erfahrung einer langjährigen Verfolgung und Marginalisierung, bis in die 50er Jahre begründet ist, die Autorität der Heiligen Schrift und die individuelle Bekehrung.

Die evangelischen Kirchen gruppieren sich in drei theologischen Hauptströmungen: Die konservative Theologie legt Wert auf einen biblischen Fundamentalismus, den Rückzug aus der Welt, einen eschatologischen Spiritualismus und einen praktischen Pietismus. Die liberale Theologie hat eine umfangreiche Reflexion über das Thema der sozialen Verantwortung und eine biblische Hermeneutik entwickelt, mit der versucht wurde, die historische Methode zurückzugewinnen. Die lateinamerikanische Theologie entstand aus der Praxis und dem Nachdenken von Christen Lateinamerikas und bezieht sich als Ausgangspunkt auf die Wirklichkeit von Armut und Ausbeutung, die Lateinamerika erlebt und in der sich das Wort verkörpert: Die Option für die Armen und die Gegenwart der Gnade des Herrn. Es ist die einzige existierende Geschichte, in der das befreiende Handeln Gottes stattfindet.

All dies bedeutet, daß wir in den evangelischen Kirchen in verschiedenen Ausdrucksformen eine reichhaltige theologische und pastorale Reflexion vorfinden, die durch unterschiedlichen politischen Charakter, ethische Dogmatik, moralische Prinzipien und ethnische sowie kulturelle Verschiedenheiten bedingt sind.
Die sozialen Veränderungen, die vor und nach 1979 entstanden sind, haben neue Forderungen an die Mission und an die Theologie der Kirchen gestellt. Dies hat das Aufkommen einer evangelischen, kontextualen, prohpetischen und exegetischen Theologie zur Folge, welche die nationale Probleme und die verschiedenartigen geschichtlichen Entwicklungen bewußt in sich aufnimmt und gleichzeitig eine Lektüre des dynamischen Prozesses, den das Volk lebt, beinhaltet und daraus die pastorale-soziale Verantwortung der evangelischen Christen in ihrem Kontext begründet. Dennoch gibt es im Innern der Kirchen ernsthafte Spannungen theologischen, pastoralen und ideologischen Charakters, ja sogar eine Tendenz hin zur Aufspaltung der Geschichte, des Lebens und zur Marginalisierung der sozialen Verantwortung.

Wir möchten uns mit diesem Hirtenbrief an die Kirchen wenden und sie animieren, diese dogmatischen Spannungen zu überwinden und die Einheit in der nationalen evangelischen Gemeinschaft zu fördern. Wir schlagen einen breiten Dialog vor zwischen den nationalen Führern, den Pastoren und Diakonen, um herauszufinden, was das Wort Gottes heute für Nicaragua zu sagen hat, welches unser praktischer Beitrag ist, worin unser Vorschlag für einen nationalen und regionalen Frieden besteht, und wie wir gemeinsam, das heißt innerhalb der Kirchen, unsere theologische und pastorale Prioritätenliste erarbeiten können.
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Überlegungen für eine nicaraguanische, evangelische und pastorale Praxis.
Implikationen des christlichen Daseins heute in Nicaragua:
In einfachen Worten ausgedrückt, bedeutet Christsein Nachfolge Jesu, auch wenn dies bereits weniger einfach wird, wenn wir uns die Unterschiede vor Augen führen, die durch die historischen Umstände bedingt sind, in denen Nachfolge stattfindet. Jesus, der Herr, rief, laut der Evangelienüberlieferung, Simon, Andreas und Levi, sowie die übrigen Jünger auf, ihm zu folgen und das Reich Gottes zu verkünden; er rief auf - in Konsequenz dazu - zu einem grundlegenden Handeln für ein Leben in Fülle für Frauen und Männer im Palästina des 1. Jahrhundert.

Das Wort des Lebens verkünden, Kranke heilen, böse Geister austreiben, den Hungernden zu Essen geben und allgemein gesprochen den Armen die frohe Botschaft bringen (Matthäus 11,2-6; Markus 6,6-13); diese Praxis lehrt uns, daß Jesus und seine Jünger in jenen Tagen in Galilea dabei waren, das Reich Gottes aufzubauen, die Hoffnung aufzubauen - mit ihren Taten und mit Worten, die ihre Taten erklärten.
Heute in Nicaragua reden wir weiterhin vom Aufbau des Reiches Gottes, vom Aufbau der Hoffnung. Wir beziehen uns dabei auf das Projekt der gesellschaftlichen Transformation, welches uns die nicaraguanische Revolution vorlegt. Dieses Projekt benennt als Grundlagen der Hoffnung: 1. Die Wiedereroberung der Souveränität, ohne die kein Volk leben kann.2. Die gemischte Wirtschaft als Anstrengung, die Produktion hin zur Befriedigung der Bedürfnisse des Volkes zu entwickeln.3. Die Partizipation des Volkes an der Macht in vielerlei Basisorganisationen und politischen Parteien.4. Der an keinen der groen hegemonistischen Machtblöcke gebundene Kampf für eine Welt, in der Strukturen bestehen, die eine friedliche Konfliktlösung zwischen den Nationen ermöglicht.Christsein bedeutet, als Subjekt teilzunehmen am Aufbau der Hoffnung für die Armen unseres Landes und der Welt; ein Unterfangen, das schwieriger ist, als wir erwartet hatten und mit einem wilden und gewalttätigen Widerstand der Mächtigen konfrontiert ist, die den Wert und die Existenz der Souveränität der armen Völker, ihre selbstbestimmte friedliche Entwicklung und die Forderung nach Gerechtigkeit in ihrem Einflubereich nicht anerkennen wollen. Nachfolge Jesu und seine evangelische Lehre bedeuten für uns und für jeden Christen, der bewußt seinen Glauben lebt, kritisch mitzuarbeiten in dem existierenden Projekt des Aufbaus einer Hoffnung, hier und heute.

Konkret bedeutet dies für uns evangelische Christen:

1. Bereit zu sein, das menschliche Leben im Sinne der Radikalität des Opfers und des Kreuzes gegenüber dem Elend, der Ungerechtigkeit und den dämonischen Strukturen dieser Welt zu behaupten, zu pflegen und zu verteidigen. Die Evangelien lehren uns, daß der Dienst unseres Herren Jesus Christus seinen Höhepunkt in seiner Bereitschaft zur direkten Konfrontation mit dem Tempel in Jerusalem fand, der von der politischen und religiösen Macht dieser Zeit in ein System verwandelt worden war, welches die Ausbeutung der Armen und Ärmsten auf Grundlage ihres Glaubens an Gott betrieb. Diese Bereitschaft zeigte Jesus, der Herr, trotz der Gefahr, den öffentlichen Tod am Kreuz zu sterben, den die Römer jenen zu Teil werden ließen, die sich gegen ihre Ordnung auflehnten. Wenn unser Herr und Meister diesen Weg in Palästina ging, so müssen wir, als Christen und Bürger konsequent sein und Gebrauch von unserem Recht und von allen uns zugänglichen Mitteln machen, um das Leben und die Projekte, die Leben geben, zu behaupten und zu verteidigen.

2. Unsere Anstrengung in den Programmen der Erziehung, der Ernährung, des Wohnungsbaus, der Gesundheitszentren und in allem, was ein würdiges Leben erlaubt und ermöglicht, bilden für uns eine grundlegende Verpflichtung. Nach unserem Verständnis war es nicht nur reine Notwendigkeit, daß der Apostel Pablo sein Leben als Zeltmacher verdiente, sondern es war Nachfolge Christi, jenen ein Dach zu geben, die keines hatten und auf der Reise anderen keine Last zu sein, sich für den Evangelisationsdienst nicht bezahlen zu lassen.

3. Jesus ruft uns auf, Friedensstifter zu sein, denn diese werden Söhne Gottes genannt werden (Matthäus 5,9). Frieden zu bringen bedeutet, unermüdlich daran zu arbeiten, soziale und ökonomisch gerechte Beziehungen in der Gesellschaft und in der Welt aufzubauen. Frieden stiften bedeutet, den Krieg zwischen Brüdervölkern zu verhindern. Frieden stiften bedeutet heute, für die Demilitarisierung der Nationen zu kämpfen, die Rechte der Armen zu verteidigen und alle Anstrengungen, die darauf abzielen, Alternativen gegenüber dem zerstörerischen Krieg aufzubauen, zu unterstützen.

4. Der Herr Jesus rief die Seinen auf, ihre Orte in der korrupten Gesellschaft zu verlassen und sich in die neue Gesellschaft einzugliedern, wo alle Geschwister aller sein werden. Dies verlangt eine groe Disziplin, derer nicht würdig ist, wer sein eigenes Leben oder das seiner Familie sichern will (Lukas 9, 23-25).

5. Christsein heit auch, aus dem Evangelium heraus, den Glauben aller Sektoren unseres Volkes in dem langen Kampf um den Aufbau der Hoffnung zu stärken, in der Gewißheit, daß der Gott unseres Herrn Jesu Christi bei uns ist. Er begleitet uns jeden Tag.
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Die Theologie und ihre Perspektiven.
Im Bereich der Theologie werden seit 1979 an Nicaragua immer gröere Erwartungen gestellt. Viel wurde zum Beispiel auch vom marxistisch-christlichen Dialog erwartet. Die geschichtliche Tradition unseres Volkes hat jedoch andere Themenfelder bestimmt.

Die Probleme, die von der Wirklichkeit, in der wir leben, vorgegeben sind, haben mit der Art und Weise zu tun, wie wir Christen leben und zu leben haben, in der wirtschaftlichen Krise, gegenüber der Drohung von außen gegen unser Land, in der Partizipation am sozialen Projekt, in der Kirchlichkeit unserer Epoche. All dies wird innerhalb des Rahmens der neuen nicaraguanischen Gesellschaft beschrieben, die auch das außergewöhnliche Denken des Sandinismus hervorgebracht hat, welches in seiner Sprache dem Glauben eigene Themen behandelt und in Nicaragua die Überwindung der marxistischen Religionskritik zulät.
Als ein Versuch, den Christen Orientierung zu geben, entstand mit Hilfe der journalistischen Medien, Zeitungsartikeln und durch mündliche Traditionen die Volkstheologie (teología popular).
Es fehlt nun eine Systematisierung dieser dogmatischen Theologie, wo die oben genannten Themen angesprochen werden.
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Es existieren diverse theologische Institutionen mit einem Basisniveau in systematischer Theologie, zum Beispiel das Baptistische-Theologische Seminar und die Evangelische Fakultät für Theologische Studien, die in ihren Klassenräumen Studenten aus mehr als dreißig verschiedenen evangelischen Denominationen vereint. Gegenwärtig werden, aufgrund der starken Nachfrage nach theologischer Erziehung, weitere Zentren aufgebaut, die ein Kursprogramm in biblischer Ausbildung in ländlichen Regionen ermöglichen sollen. Wir schlagen eine ernsthafte Überprüfung der Studienpläne der unterschiedlichen Institutionen vor: Die theologische Ausbildung muß entsprechend den aktuellen Notwendigkeiten der Gesellschaft und der Christen entworfen werden. Wir brauchen einen breiten Austausch zwischen den Professoren und den Direktoren der akademisch-theologischen Institute.

Außerdem schlagen wir die Ausarbeitung von freien theologischen Kursen für Laien ohne akademische Vorkenntnisse vor, denn es ist notwendig auf allen Ebenen Zugang zur theologischen Erziehung zu schaffen. Dies wird das allgemeine Priestertum der evangelischen Christen stärken und wird ermöglichen, daß die Laien immer mehr Subjekte ihrer eigenen Theologie werden.
Gegenwärtig schätzt man die Zahl der Theologiestudenten in den verschiedenen Programmen der evangelischen Kirchen auf etwa 2000, was in hohem Maße motivierend und konsolidierend in der Verkündigung, der Evangelisation und der biblischen Hermeneutik wirkt. Wir möchten die Kirchen ermuntern, diese enorme Anstrengung weiterzuführen und das Ausbildungsniveau ihrer Leute ständig zu verbessern.
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Die Entwicklung der interkonfessionellen Zusammenarbeit.
Wir meinen, daß die ökumenische Kooperation innerhalb der evangelischen Kirchen eine positive und relativ neue Erfahrung ist, gemessen an ihrer anderthalb Jahrhundert langen Geschichte. Diese ökumenischen Beziehungen werden etwa seit den 60er Jahren deutlich und zeigen sich beispielsweise in Evangelisationskampagnen, in gemeinsamen Gottesdiensten, in konkreten Projekten wie der Alphabetisierung, in Unterstützungsprogrammen für die ärmsten Gemeinden und in grundlegenden Tätigkeiten im Bereich Gesundheit und anderen Aspekten kommunitärer Entwicklung. Diese Dynamik beeinflußt auch die Verstehensweisen der sozialen Wirklichkeiten und die Art, wie die Kirchen gemeinsam dem Volke dienen können, indem sie gemeinschaftlich das Wort Gottes wirksam werden lassen und am gesellschaftlichen Transformationsprozess teilhaben.

In Bezug auf den gegenwärtigen Stand unserer kirchlichen Einheit sind wir nicht glücklich, vielmehr tief besorgt, denn unsere konfessionelle, organische und strukturelle Einheit ist noch sehr brüchig. Wir fühlen uns durch Jesus, unseren Herrn (Johannes 17), in der Verkündigung und der Verkörperung des Reiches Gottes aufgerufen, uns im historischen Projekt der Armen zu vereinen. Noch können wir nicht auf ein Nationalkonzil der Kirchen zählen, welches den Prozeß der Einheit, dessen Konkretisierung drängt, weiter fördern könnte. Wir wissen, daß die entsprechenden Bedingungen existieren, um einen Reflexionsproze einzuleiten, der von den Kirchen selber auszugehen hat. Sich ihres prophetischen Dienstes bewußt, müssen die Kirchen dieses Projekt konkretisieren.

Unsere ökumenischen Beziehungen zur katholischen Kirche sind - im formalen Sinne - praktisch nicht vorhanden, obwohl wir brüderliche Beziehungen mit bestimmten Sektoren der katholischen Kirche und mit ökumenischen Organismen unterhalten. Diese Situation ist durch historische Gründe, theologische Positionen und kirchliche Verhaltensweisen bedingt, die den Austausch und den Kontakt nicht begünstigen.
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Die ökumenische Beziehung, in biblischen Begriffen, gesprochen entwickelt sich innerhalb der Gesellschaft. Dies gilt umso mehr, wenn diese Gesellschaft ein Projekt der Gerechtigkeit versucht zu entwickeln. Die Kirchen, die einen Teil des Volkes darstellen, können sich nicht aus der Interaktion des sozialen Prozesses herausziehen. Wir verstehen das evangelische Zeugnis als ein Zeugnis der Verkörperung, der Inkarnation. Dieses hat seine Wurzel in Jesus Christus, in der Geschichte und in dem Leben des Volkes. Dieses Zeugnis ist unsere wichtigste Verantwortung in der nationalen Gemeinschaft. Ohne die Teilnahme aller Sektoren, und besonders der Armen und Marginalisierten, ist ein wahrhaft ökumenisches Teilen des Lebens und der spirituellen und materiellen Ressourcen nicht möglich.

Auszugsweise Übersetzung aus: "Carta Pastoral de la Asamblea General del Centro Intereclesial de Estudios Teológicos y Sociales", hrsg.v. CIEETS, Managua, Nicaragua, Juni 1987.

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