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Im Oktober 2003 besuchte eine Gruppe des "Religionspädagogischen Amtes Gießen der EKHN" Nicaragua. Eine Station dieser Studienreise war auch die Schule "Lirio de los Valles". Es war der 23.10.2003. Hille Haarhoff protokollierte für die Gruppe diesen Tag. Über den Besuch bei der Schule schreibt sie Folgendes:
Besuch der Ev. Grundschule „Lirio de los Valles"
Im Anschluss an den Besuch des Projektes „Edad de Oro" besuchen wir die ev. Grundschule „Lirio des los Valles" in León. Unser Weg führt uns mit dem Bus direkt über den Markt in León. Ein Bummel zu Fuß über diesen Markt mit seinem bunten, vielfältigen Marktgeschehen wäre sicher nicht zu verachten gewesen, aber wir werden in der Schule bereits erwartet.
In der Schule, die 1996 mit ihrer Arbeit begann, werden wir vom Schulleiter begrüßt und empfangen. Er macht uns bekannt mit seiner Stellvertreterin, mit dem Pfarrer als täglichem Berater (er ist gleichzeitig auch Ortspfarrer), mit dem Vorsitzenden des Kuratoriums (er ist gleichzeitig Sekretär für die Kirche dieser Region), mit dem Sekretär des Kuratoriums (er ist gleichzeitig auch Pfarrer und Leiter der kirchlichen Erziehungsprogramme außerhalb der Schule). Beim Gang durch die Schule können wir zunächst einen kleinen Blick in das Schulleiterzimmer werfen mit dem besonderen Hinweis auf die schuleigene Fahne. Sie wird bei Umzügen getragen und dokumentiert die drei wesentlichen Dimensionen der Arbeit dieser Schule: „Gott – Wissenschaft – Gerechtigkeit".
Die stellvertretende Schulleiterin zeigt uns ihr Büro mit eben solchem Stolz und einem besonderen Hinweis auf die nationalen Symbole an der Wand. Wir werden am Sekretariat und der Schulbibliothek vorbei geführt und dürfen auch hierein einen kurzen Blick werfen. Diese Räumlichkeiten liegen entlang eines kleinen Gehweges, der von kleinen Beeten gesäumt wird.
Im Hof treffen wir auf ältere Schüler, die in kleinen Gruppen zusammensitzen und arbeiten. In den Klassenräumen fällt die Farbe blau auf: blaue Stühle, blaue Tisch- bzw. Schreibplatten, blaue Schuluniformen. Die Wände zwischen den einzelnen Klassenräumen sind auffallend dünn, die Schüler scheint dies aber in keiner Weise abzulenken oder zu stören. Eine 5. Klasse – es ist die Klasse, die mit der Staufenberger Schule in brieflichem Kontakt steht - erhält gerade Spanischunterricht. Die 5. Klasse ist der erste Jahrgang, der zum Abitur führt.
Während die Grundschüler nur vormittags Unterricht haben, sieht der Stundenplan für die Sekundarschüler auch am Nachmittag noch Unterricht vor. Samstags studieren Pfarrer in den Räumen. In der Schule, an der 20 Lehrkräfte unterrichten, werden die Schüler in 11 Jahren zum Abitur hingeführt, angegliedert ist eine 3-jährige Vorschule. In der Schule lernen zur Zeit 21 Schüler in der Vorschulgruppe der 3-5 Jährigen, 107 Grundschüler im Alter von 6 – 10 Jahren und 168 Schüler der Sekundarstufe. 48 Erwachsene (30 Jahre und älter) besuchen die Kurse am Wochenende.
Eine Lehrkraft im Staatsdienst verdient 930,-- Cordobas. An dieser Schule, die sich über ein Schulgeld durch die Eltern finanziert, sind es jedoch eher nur 700,-- Cordobas. Kinder aus ärmeren Familien zahlen u. U. auch weniger Schulgeld, um ihnen überhaupt eine Schulbildung zu ermöglichen. Die Ausbildung der Lehrer ist eine 5-jährige Universitätsausbildung. Die eigene Schulausbildung plus Universitätsstudium dauern insgesamt 19 Jahre. Das bedeutet: 19 Jahre Ausbildung um am Ende 50,-- § im Monat zu verdienen !!!
Im Vergleich dazu verdient ein Arzt ca. 18oo Cordobas im Monat, vergleichbare akademische Berufe verdienen nach Information des Schulleiters deutlich mehr. Innerhalb des Schulbetriebes haben Lehrer ein hohes Ansehen, gesellschaftlich jedoch nur ein sehr geringes. Sie sind nicht einmal kreditwürdig. Der Schulleiter erklärt: Lehrer verstehen sich als Apostel der Bildung. Ihr geringes Ansehen hängt zusammen mit der Politik des Staates, Bildung und Gesundheit wird nur eine geringe Bedeutung beigemessen. Die Gesellschaft hingegen erachtet beides als äußerst wichtig.
Die liebevolle Ausgestaltung der Schule fällt auf. Hier gibt es keine Probleme mit Vandalismus oder Diebstahl, sie wird vom Stadtteil voll getragen. Möglich ist dies, weil die Menschen, die in diesem Stadtteil wohnen, die Schule als ihre eigene Schule betrachten, an der sie selbst mitgebaut haben.
Unser Rundgang führt uns abschließend in den Versammlungsraum der Schule, er ist Kirche und Aula zugleich. Hier findet eine kleine Feierstunde statt, die zu unserer Begrüßung und „zu unseren Ehren", wie die stellvertretende Schulleiterin in ihren Begrüßungsworten sagt, vorbereitet wurde. Aus jeder Klasse sind zwei Schüler vertreten, die an dieser Feier teilnehmen. In den ersten Reihen sitzen die Kinder des Kindergartens. Sie haben vielerlei Geschenke liebevoll für uns gebastelt und gemalt – Ketten aus Holzperlen, bemalte Steine, Bilder, ... – und wollen nun selbstverständlich auch an der Feier teilnehmen. Sehr aufmerksam sitzen sie auf ihren Stühlen, hören den vielen Worten geduldig zu, teilen uns später mit offensichtlicher Freude – man sieht es an ihren leuchtenden Augen – ihre Geschenke aus. Als wir nach der Feierstunde mit Kuchen und Getränken bewirtet werden, verblüfft mich die Bescheidenheit, mit der sie geduldig warten, bis sie nach all den vielen Erwachsenen auch etwas bekommen.
Die Feierstunde beginnt mit einer kleinen Begrüßungsansprache der stellvertretenden Schulleiterin. Sie bringt zum Ausdruck, wie sehr sie sich als Schule geehrt fühlen, von uns im Zusammenhang mit unserer Studienreise besucht zu werden. Wir sind alle Kinder Gottes und werden in diesem Sinne herzlich willkommen geheißen. Im Rahmen dieser kleinen Feierstunde singen wir gemeinsam, es gibt einige Schriftlesungen, Argentina Navarro bedankt sich für eine Spende an die Schule und erzählt von deren Anfängen: Unsere Arbeit begann mit einem Zelt. Stück für Stück wurde dann diese Schule gebaut. Die Lehrer selbst legten Hand an beim Bau der Räume, finanziell wurde der Bau von der Kirche unterstützt. Die eingehenden Spendengelder aus Deutschland werden immer schon für die Anschaffung von Unterrichtsmaterialien verwendet. Mit dem Hinweis darauf, dass Bildung besonders für die ärmeren Menschen immer schwieriger wird, bedankt sich Argentina auf‘s Herzlichste für die Spenden.
Wir unsererseits bedanken uns für diese liebenswürdige und freundliche Aufnahme mit einem „Laudato si", zu dem auch unsere Gastgeber fröhlich mit einstimmen. Die beste Schülerin der Schule dankt in ihrer Ansprache ebenfalls herzlich für die Zusammenarbeit. Sie sagt: „Wer weiß, was aus mir geworden wäre ohne diese Zusammenarbeit." Sie bittet uns, ihren Dank an alle die weiterzutragen, die heute nicht hier dabei sein können. Bevor die Kinder des Kindergartens uns ihre Geschenke austeilen, vermittelt uns ihre Leiterin durch ihre Worte, mit welch großer Liebe die Kinder diese Geschenke für uns hergestellt haben und sie bittet uns, diese mit eben solch großer Liebe entgegenzunehmen. Ich bekomme eine Kette aus Holzperlen geschenkt. Das Kind legt sie mir behutsam um den Hals und freut sich, wie gut sie mir steht. Sie passt wunderschön zu meinem grünen Kleid. Aber damit nicht genug. Ich bekomme auch noch einen Paradiesvogel geschenkt, den ein Kind aus der Form einer wohl als Strandgut gefundenen Schnecke gemalt hat. Er steht heute auf meiner Blumenbank, erinnert an das Paradies, das mir in dem besonderen Reichtum dieses armen Landes in ungeahnter Weise immer wieder begegnet zu sein scheint.
Der Präsident spricht ein Gebet und wünscht uns für unsere Reise, sie möge unter einem guten Stern stehen. Bevor wir mit Kuchen und Saft erfrischt werden, überreicht uns der Schulleiter – gedacht für unsere Solidaritätsarbeit - eine kleine Schrift mit den Planungsdaten für das nächste Jahr und lädt jeden von uns herzlich ein, die Schule erneut zu besuchen, wenn uns unser Weg wieder nach Nicaragua führen sollte. |
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